Jan Trna zu "Der Migrationshintergrund in Saša Stanišićs Buch Fallensteller."

Bericht von Kristina Winklerová -1. Oktober 2017

Das Buch Fallensteller ist ein Erzählband des deutschsprachigen Autors Saša Stanišić. Allerdings deutet sein Name auf ein anderes Herkunftsland als Deutschland hin. Gemeinhin spricht man in seinem Fall von einem Autor mit Migrationshintergrund. Der Vortragende Jan Trna versucht in seinem Vortrag zu zeigen, ob sein neuester Werk dadurch beeinflußt ist. Genauer gesagt, beschäftigt sich Trna  mit dem Thema des interkulturellen Potentials des Erzählbandes Fallensteller. Es wurde aber nicht nur dieses Werk besprochen, sondern auch ältere Werke Stanišíćs – die Romane „Wie der Soldat das Grammofon repariert“ und „Vor dem Fest“.

 

Was bedeutet es überhaupt, wenn man über Autoren und ihren Migrationshintergrund spricht? Sie stammen aus anderen Kulturen und in vielen Fällen ist Deutsch nicht ihre Muttersprache. Sie leben und arbeiten aber in ihrer neuen Heimat - was in diesem Fall Deutschland wäre. Trna hat bei dem Vortrag Zuwanderer aus den südlichen Ländern in den Fokus gestellt. Informationen zu diesem Thema hatte er aus Die Fremde als Ort der Begegnung von Raluca Radulescu. Radulescus Buch beschäftigt sich mit Autoren , die aus dem ehemaligen Jugoslawien gekommen sind. Einige dieser Autoren verarbeiten in ihrem literarischen Schaffen ihre Erfahrungen mit dem Titoismus. Zum Beispiel die Autorin Marica Bodrožić, die sich selbst als eine deutsche Autorin mit einem slawischen Namen sieht, meint, sie stehe zwischen den Kulturen und es ginge um einen permanenten und bewussten Zustand, der sich in ihrem Werk wiederspiegele.

 

Wie sieht dies Saša Stanišić? Der lehnt die Unterscheidung von wir und sie ab und sieht sein Werk als Bestandteil von etwas Größerem. Der Vortragende wendete sich an dieser Stelle dem Begriff des interkulturellen Potenzials zu, welchen er folgendermaßen beschreibt: Das interkulturelle Potential soll die Fähigkeit sein, die Beziehungen zwischen den Kulturen zu benennen, sie literarisch zu thematisieren und zum Klären dieser Kulturen beizusteuern.

 

Nach diesen einführenden Erklärungen, die dem Verständnis des Themas helfen soll, wendete man sich dem Autor Saša Stanišić zu. Er floh 1992, im Alter von 14 Jahren, mit seiner Familie vor dem Bosnienkrieg. Sie landeten in Heidelberg. Er behauptet, er wäre Lehrer geworden, wenn seine Karriere als Schriftsteller nicht funktioniert hätte. Er blieb in Deutschland, während seine Eltern weiterreisten und heute in den Vereinigten Staaten leben. Nach der Skizze des Lebens von Stanišić, ging Trna dazu über, seine Werek näher zu beleuchten.

 

Was behandelt der Roman Wie der Soldat das Grammofon repariert? Es geht um den Krieg, die Flucht aus dem eigenen Land, das Leben in einer neuen Umgebung und auch um Erinnerungen. Die Hauptfigur des Romans heißt Aleksandar. Er besitzt ein Erzähltalent, das er von seinem Großvater geerbt hat und gleichzeitig ist er ein hervorragender Beobachter. Er ist in Visegrád aufgewachsen. Der Roman wurde für den Deutschen Buchpreis nominiert und in mehr als 30 Sprachen übersetzt worden.

Der zweite Roman Vor dem Fest spielt in einem fiktiven Dorf namens Fürstenfeld in der ehemaligen DDR. Dieser Roman ist außergewöhnlich. Warum? Es wird zwar in der Ich-Form erzählt, aber das Ich spricht für ein Kollektiv – das ganze Dorf. Dieser Roman erhielt den bedeutenden Buchpreis der Leipziger Buchmesse.

 

Bei dem neuesten Werk, dem Erzählband Fallensteller, geht Trna zuerst auf den Titel des Buches ein. Hängt der Titel irgendwie mit der Handlung der Erzählungen zusammen? Trna stellt die Vermutung in den Raum, Stanišić selbst könne darin eine Art Falle stellen, jedoch hat Trna dafür keine überzeugenden Argumente gefunden. Der Titel bleibt also ein Rätsel.

 

Gibt es irgendeine Verbindung zwischen den einzelnen Erzählungen im Buch? Trna beantwortet diese Frage ausführlich – einige stehen in einem Zusammenhang, andere nicht. In manchen Erzählungen taucht zum Beispiel die Figur Mo auf und der Erzähler, der nur Ich genannt wird. Daneben gibt es eine Erzählung, die als eine freie Fortsetzung des zweiten Romans Vor dem Fest verstanden werden kann. Dies ist gleichzeitig auch die längste Erzählung.

Stanišić versucht, sich nicht mehr auf die Unterschiede nur zweier Kulturen zu konzentrieren. So tauchen nun diverse Kulturen und Nationen auf, anders als in seinen vorherigen zwei Romanen. Seine Figuren reisen und begegnen dabei anderen Kulturen. Er spielt auch mit Klischees und verarbeitet diese auf eine humoristische Art. Was er sehr gut beherrsche, sei das Hervorheben von Pointen, auch in sehr kurzen Szenen oder Gesprächen. Die Erzählungen werden auch durch Volksliteratur und Gedichte erweitert, um die konkrete Situation zu vervollständigen. Doch gehe es Stanišić nicht nur darum Anekdoten und Witze zu erzählen. Es kristallisiere sich noch eine Frage aus den Erzählungen heraus: wie soll man auf tragische Situationen reagieren? In den Erzählungen, so Trna, ergebe sich folgende Antwort: manchmal ist es besser, überhaupt nicht zu reagieren.

 

Zusammenfassend erklärte der Jan Trna, dass der Migrationshintergrund wahrscheinlich weiterhin mit dem Autor verbunden bleiben wird, obwohl diese Tatsache keine literaturwissenschaftliche Bedeutung habe. Es gebe typische Themen, die einige unter diesem Begriff zusammengefasste Autoren behandeln, diese entwickeln sich aber weiter. Stanišić dagegen bearbeite nun vermehrt globale Themen in seinem Werk, wodurch sein eigener Migrationshintergrund in den Hintergrund gerät.